III. Einstein und die Politik


1. Gesellschaftspolitische Einstellung A. Einsteins

Albert Einsteins bedingungsloses Eintreten für Frieden und Völkerverständigung war bemerkenswert. Zwar war er kein Marxist, doch bezeichnete er sich selbst einmal als Gefühlssozialist, und dies ist wohl die treffendste Bezeichnung für seine politische Einstellung. Jedoch blieb er nicht bei einem abstrakten Humanismus stehen, er machte sich sehr wohl Gedanken über die zukünftige sozialistische Gesellschaftsordnung: "Die wirtschaftliche Anarchie der kapitalistischen Wirtschaft von heute, ist meiner Meinung nach die wahre Quelle der sozialen Mißstände.

Die Produktion arbeitet für den Profit, nicht für den Verbrauch. Es sind keine Vorkehrungen getroffen, dass alle Arbeitsfähigen und -willigen stets eine Stellung finden; fast immer wird eine Armee von Arbeitslosen bestehen. Der Arbeiter lebt ständig in der Angst, seine Arbeit zu verlieren. ...Ich bin überzeugt, um diesen schweren Mißständen abzuhelfen, gibt es nur ein Mittel, nämlich die Einrichtung einer sozialistischen Wirtschaft mit einem Erziehungssystem, das auf soziale Ziele abgestellt ist. In einer solchen Wirtschaft gehören dann die Produktionsmittel der Gemeinschaft, die sie nach einem bestimmten Plan benutzen. Man würde in einer Planwirtschaft die Produktion den Bedürfnissen der Gemeinschaft anpassen, die zu leistende Arbeit unter den Arbeitsfähigen verteilen und jedem, Mann, Frau und Kind, den Lebensunterhalt garantieren. In der Erziehung würde man dafür sorgen, in jedem einzelnen neben seinen Gaben auch das Verantwortungsgefühl gegenüber seinen Mitmenschen zu pflegen und nicht wie in unserer heutigen Gesellschaft Macht und Erfolg zu verherrlichen."

Natürlich ist diese Denkweise ein wenig naiv. Doch wie ein Reflex kam 1949 zu den Fehlentwicklungen und Problemen der Sowjetunion: "Trotz allem darf man nicht vergessen, dass eine Planwirtschaft kein Sozialismus ist. Eine Planwirtschaft als solch kann auch eine vollständige Versklavung des Einzelnen mit sich bringen. Der Sozialismus muß zuallererst einige äußerst schwierige sozialpolitische Fragen lösen

z.B.: 1. Wie läßt es sich angesichts der weitreichenden Zentralisierung der politischen und wirtschaftlichen Macht vermeiden, dass die Bürokratie zu mächtig und anmaßend wird?

2. Wie schützt man die Rechte des einzelnen?

3. Wie bildet man aus ihnen ein demokratisches Gegengewicht zu Bürokratie?"

Einstein stand den Veränderungen der Jahre 1918/19 aufgeschlossen gegenüber. Er machte sich über die Kollegen lustig, die Angst vor der politischen Entwicklung hatten, einige bekämpften sie sogar aktiv wie W. Wien. Einstein war nicht in irgendeiner Partei, doch der USPD stand er sehr nahe. Im Frühjahr wurde durch einen Generalstreik und Widerstand der Arbeiter der Kapp-Putsch vereitelt, worüber Einstein nicht unglücklich war: "Wir sind froh darüber, dass der jüngste reaktionäre Putsch so jämmerlich fehlgeschlagen ist."

In den zwanziger Jahren hielt er wiederholt Vorträge in der Marxistischen Arbeiterschule der KPD, vornehmlich zu Themen wie: Warum braucht der Arbeiter die Relativitätstheorie?


2. Das Verhältnis Einsteins zur Sowjetunion

Einsteins Einstellung zur Sowjetunion war zwiespältig und änderte sich im Laufe der Zeit. Zuerst bewunderte er Lenin und begrüßte den Aufbau des Kommunismus, jedoch ohne konkret die einzelnen Vorgehensweisen gut zu heißen. Später wurde die Ablehnung deutlicher, und er ließ erkennen, dass er die parlamentarische Demokratie dem Sozialismus aus der UdSSR vorzog. 1921 unterzeichnete er den Aufruf des "Auslandskomitees zur Organisierung der Arbeitshilfe für die Hungernden in Rußlands". 1923 trat er in die "Gesellschaft der Freunde des neuen Rußlands" ein, einer Organisation, die sich hauptsächlich um die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschen und Sowjets, insbesondere auf kulturellem und wissenschaftlichen Gebiet bemühte.

3. Einsteins Erfahrungen mit der Weimarer Republik und seine Haltung zum Faschismus

Aus seinem politischen Engagement und seinem Auftritten geht klar hervor, dass er ein Antifaschist war, da war es nur logisch, dass er zur Zeit der Weimarer Republik von nationalistischen und faschistischen Elementen bedroht und belästigt wurde. Durch den reaktionären Justizapparat wurde die Ermordung Rosa Luxemburg kaum verfolgt. Durch diese und andere Handlungen der Regierung konnte sich der Antisemitismus frei entfalten. Einstein wollte auf Fälle wie diese aufmerksam machen und bekam Antworten!

Zu Beginn des Jahres 1920 machte sich der erste organisierte Protest gegen Einstein bemerkbar, z.B. störten Studenten seine Vorlesung an der Berliner Uni; Einstein brach seine Vorlesung ab und verließ den Hörsaal. Die Hetze wurde angeführt von einer Gruppe Antisemiten, die sich unter der Bezeichnung Arbeitsgemeinschaft deutscher Naturforscher zur Erhaltung reiner Wissenschaft zusammengeschlossen hatten. Einer der Drahtzieher war der Elementarphysiker Philpp Lenard. Im August 1920 veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft in der Berliner Philharmonie eine Kundgebung gegen die Relativitätstheorie, die in antisemitischen Morddrohungen endete. Bald wurde sogar zweimal in der Berliner Zeitung zum Mord an Einstein aufgerufen. Den Höhepunkt fand der antisemitische und gegen Demokraten gerichtete Terror mit der Ermordung Erzbergers und des Außenministers Rathenau. Auch Einsteins Sicherheit war bedroht, und er wurde von Freunden und Kollegen aufgefordert, Berlin zu verlassen. Von nun an unternahm er viele Reisen, 1921 seine erste USA-Reise. International hatte unterdessen die Popularität der Allgemeinen Relativitätstheorie ihren Höhepunkt erreicht.

Mit der Machtergreifung der Faschisten in Deutschland wandelte sich Einsteins Einstellung zum Pazifismus: "Bis 1933 habe ich mich für die Verweigerung des Militärdienstes eingesetzt. Als aber der Faschismus aufkam, erkannte ich, dass dieser Standpunkt nicht aufrecht zu erhalten war, wenn nicht die Macht der Welt in die Hände der schlimmsten Feinde der Menschheit geraten soll. Gegen organisierte Macht gibt es nur organisierte Macht; ich sehe kein anderes Mittel, so sehr ich es auch bedaure." Es ging sogar so weit, dass er in der ersten Wut die Belgier aufforderte, ihr Land mit der Waffe zu verteidigen.

Im März 1933 sprach Einstein als Bekenntnis die Worte: "Solange mir die Möglichkeit offen steht, werde ich mich nur in einem Land aufhalten, in dem politische Freiheit, Toleranz und Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz herrschen. Zur politischen Freiheit gehört die Freiheit der mündlichen und schriftlichen Äußerung politischer Überzeugung, zur Toleranz die Achtung vor jeglicher Überzeugung eines Individuums. Diese Bedingungen sind gegenwärtig in Deutschland nicht erfüllt. Es werden dort diejenigen verfolgt, die sich um die Pflege internationaler Verständigung besonders verdient gemacht haben, darunter einige der früheren Künstler. ..." Doch auch die gleichgültige Haltung seiner Kollegen verurteilte er: "Die Ansicht, dass der wissenschaftliche Mensch in den politischen, d. h. menschlichen Angelegenheiten im weiteren Sinne, schweigen soll, teile ich nicht. Du siehst ja gerade an den Verhältnissen in Deutschland, wohin solche Selbstbeschränkung führt. Es bedeutet, die Führung den Blinden und Verantwortungslosen widerstandslos überlassen. Steckt nicht Mangel an Verantwortungsgefühl dahinter?" Zur Zeit der Machtergreifung hielt sich Einstein gerade im Ausland auf und in Angst um sein Leben kehrte er nicht nach Deutschland zurück, sondern ging in die politische Emigration in die USA. Er verzieh es bis an sein Lebensende weder seinen Kollegen noch den Deutschen allgemein, was sie getan oder zugelassen, auf jeden Fall aber zu verantworten hatten.

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